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12.01.06
11:53 Uhr
FDP

Wolfgang Kubicki: "Stegners Big-Brother Gesetz-entwurf ist verfassungswidrig"

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Nr. 004/2006 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Ekkehard Klug, MdL Kiel, Donnerstag, 12. Januar 2006 Parlamentarischer Geschäftsführer Günther Hildebrand, MdL

Innen/Recht
Wolfgang Kubicki: „Stegners Big-Brother Gesetz- entwurf ist verfassungswidrig“ Zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Anpassung gefahren- abwehrrechtlicher und verwaltungsverfahrensrechtlicher Bestimmungen (Unterrichtung 16/0026) erklärte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:
„Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Anpassung gefahren- abwehrrechtlicher und verwaltungsverfahrensrechtlicher Bestimmungen hat Innenminister Stegner den kompletten Wunschkatalog der Union zur Überwachung der Bevölkerung vorgelegt. Von der Ausweitung der Videoüberwachung über die verdeckte Wohnraumüberwachung, die Schleierfahndung, das KFZ-Screening bis hin zur präventiven Überwachung der Telekommunikation hat der SPD-Innenminister alle die Wünsche der CDU erfüllt, die die SPD in der letzten Legislaturperiode noch bekämpft hat. Das ist nun endgültig vorbei“, so Kubicki heute in Kiel.
„Dennoch ist es auch Innenminister Stegner nicht gelungen, einen Gesetz- entwurf vorzulegen, der verfassungskonform ist. So gehen beispielsweise die Tatbestandsvoraussetzungen zur verdeckten Wohnraumüberwachung erheblich zu weit.
Aber auch die neu eingeführte Norm zur Telekommunikationsüberwachung ist verfassungswidrig. Künftig können bereits dann Telefonverbindungsdaten ‚präventiv’ erhoben werden, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass ein Schaden für die Gesundheit (= körperliche Unversehrtheit - also auch ein ärztlicher Heileingriff oder das Abschneiden eines Haares)… zu erwarten ist. Der Gesetzentwurf sieht weder bezüglich der möglichen Anhaltspunkte und des Grades der Wahrscheinlichkeit einer ‚Schädigung’ noch in zeitlicher Hinsicht irgendeine Beschränkung vor. Er verstößt damit gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Letztlich enthält der Entwurf eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die geeignet sind der Anwaltschaft viele Mandate zu verschaffen. Dieser Gesetzentwurf gehört sowohl politisch als auch handwerklich in den Papierkorb“, so Kubicki.

Anhang Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 1 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2
Zu einzelnen Vorschriften des Entwurfes:


1. § 179 - Voraussetzungen der Datenerhebung:
Künftig sollen Daten erhoben werden können, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass ein Verbrechen gewerbsmäßig, gewohnheitsmäßig, serienmäßig, bandenmäßig oder in anderer Form begangen werden. Dabei ist völlig unscharf, was unter dem Merkmal „in anderer Form“ zu verstehen ist.
2. § 180 – Befragung und Auskunftspflicht, polizeiliche Sicht und Anhaltekontrollen (Schleierfahndung)
Wir lehnen die Schleierfahndung politisch ab. Das künftig Personen, Kofferräume und Ladeflächen kontrolliert werden können ohne Verdacht auf Vorliegen einer Straftat nur soweit polizeiliche Lageerkenntnisse dies rechtfertigen und ohne Konkretisierung der Gefährdungslage ist für uns nicht nachvollziehbar. Damit wird ein weiterer Schritt in Willkür- und Überwachungsstaat gemacht.
3. § 184 – Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen sowie auf öffentlichen Flächen
Wir lehnen eine Ausweitung der Videoüberwachung ab. Mit dem Gesetzentwurf werden aber nicht nur die Möglichkeiten der Videoüberwachung ausgeweitet, sondern auch der Lauschangriff auf öffentlichen Plätzen eingeführt. Künftig sollen nämlich auch Tonaufnahmen gemacht werden können. Dort gab es bisher nur die Videoüberwachung. Das Gesetz spricht hier zwar von einem „offen Einsatz“ der technischen Mittel, die kenntlich gemacht werden müssen. Dies gilt aber dann bereits nicht, wenn dadurch nicht ihr Zweck gefährdet oder die Maßnahme im Einzelnen offensichtlich ist. Mit diese Formulierung lässt sich jede verdeckte Videoüberwachung und Tonaufzeichnung auf öffentlichen Plätzen rechtfertigen. Big Brother rückt wieder ein Stück näher. Gleiches gilt für das polizeilich unnötige Kennzeichenscreening, welches selbst aus Kreisen der Polizei heraus abgelehnt wird.
4. § 185 Besondere Mittel der Datenerhebung (u.a. verdeckte Wohnraumüberwachung)
Diese Vorschrift ist verfassungswidrig. Der Entwurf erweitert die Möglichkeit zur verdeckten Wohnraumüberwachung, wenn dies zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren für u.a. die Gesundheit einer Person unerlässlich ist. Ein Eingriff in die Gesundheit – körperliche Unversehrtheit – liegt tatbestandsmäßig schon beim Abschneiden eines Haares vor. Dabei hat die Landesregierung übersehen, dass das Grundgesetz seit 1998 mindestens das Vorliegen einer dringenden Gefahr, also eine drohende Gefahr hochrangiger Rechtsgüter voraussetzt. Der Gesetzentwurf der Landesregierung bricht hier die Vorgaben des Grundgesetzes.
5. § 185 a präventive Überwachung der Telekommunikation
Wir lehnen die präventive Telefonüberwachung ab. Erlaubt wird im Gesetzentwurf des Innenministers zu präventiven Zwecken die Überwachung sämtlicher technisch möglichen Telekommunikationsbesziehungen. Betroffen sind alle Inhalts- und Verbindungsdaten. Es reicht hierfür aus, dass Tatsachen dafür sprechen, dass ein Schaden für die Gesundheit zu erwarten ist. Zum Begriff der Gesundheit s.o.. Zu Verfassungswidrigkeit der Vorschrift siehe ebenfalls oben.

6. § 186 Verfahren beim Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung
Wenn eine Überwachungsmaßnahme bei Gefahr im Verzuge durch die Polizei angeordnet wurde, musste bisher unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – die notwendige richterliche Anordnung nachgeholt werden. Warum nun eine solche Maßnahme bis zu drei Tagen ohne richterliche Bestätigung erfolgen können soll ist nicht nachvollziehbar und abzulehnen. Darüber hinaus fehlt eine Regelung die sicherstellt, dass eine betroffene Person von den Überwachungsmaßnahmen informiert wird, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wird.



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 2 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/