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26.08.11
14:25 Uhr
B 90/Grüne

Luise Amtsberg zum Bleiberecht

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort Claudia Jacob Landeshaus TOP 25+26 – Bleiberecht Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt die migrationspolitische Sprecherin Telefon: 0431 / 988 - 1503 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 Luise Amtsberg: presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 462.11 / 26.08.2011
Für ein menschenwürdiges Bleiberecht
Die Duldung ist nach Definition des Aufenthaltsrechts lediglich die „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“. „Duldung“ – ein Wort das erst mal freundlich klingt, drückt sozusagen in kurz gefasster Form aus: Wir dulden, dass ihr hier bleibt, weil es uns momentan nicht möglich ist, euch abzuschieben“…
Alles deutet darauf hin, dass dieses nur eine Momentaufnahme sein kann. Ein kurzer Zustand, der eigentlich nur eines nicht werden sollte: nämlich die Lebensrealität von Menschen über viele Jahre hinweg.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass die Realität anders aussieht, zeigen die Zah- len − das zeigt die Tatsache, dass das Wort „Kettenduldung“ in Politik und Gesellschaft längst zum festen Sprachgebrauch gehört.
In Deutschland geduldet zu sein, bedeutet in der ständigen Angst vor Abschiebung zu leben, in der Regel keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, aber auch keinen Anspruch auf ALG II zu haben, sich im Bundesgebiet nicht frei bewegen zu dürfen, lediglich eine Gesundheitsversorgung, die auf absolute Notfälle beschränkt ist, zu erhalten, ge- schweige denn ein festes Anrecht auf Sprach- und Integrationskurse zu haben.
Das ist die Lebenswirklichkeit von Menschen, die auf ihre Abschiebung aus der Bun- desrepublik warten. Eine Wirklichkeit, die man keinem Menschen auch nur ein Jahr zumuten möchte.


Seite 1 von 3 So haben die Innenminister der Länder im Jahr 2006 entschieden, dass langjährig Ge- duldete ein Bleiberecht erhalten sollen − unter bestimmten Voraussetzungen.
Eine dieser Voraussetzung war die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Bilanz dieses IMK-Beschlusses war ernüchternd, denn die meisten der langjährig Geduldeten konnten diese Bedingung nicht erfüllen. Daraufhin verabschiedete man 2007 eine gesetzliche Altfallregelung und verteilte eine „Aufenthaltserlaubnis auf Pro- be“. Mit diesem Titel, musste der oder die Geduldete dann nur noch glaubhaft machen, dass die Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes in erreichbarer Nähe zu sein scheint. 2009 wurde deutlich, dass auch diese Lösung nicht greift, daher verständigten sich die Innenminister, die Altfallregelung ein weiteres Mal zu verlängern – bis zum En- de des Jahres 2011.
Und genau da stehen wir nun! Und man kommt besonders vor dieser Rückschau nicht umhin, festzustellen, dass die Politik hier versagt hat!
Wir haben es nicht hinbekommen, innerhalb von fünf Jahren eine gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen, die diesen Menschen eine Perspektive eröffnet. Das, mit Ver- laub, ist absolut peinlich!
Das Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche, das seit Juli 2011 gilt, ist ein wichtiger Anfang, aber auch hier ist das Problem, dass es für das Gros der Geduldeten nicht gilt. Das verkrampfte Festhalten an Stichtagen und Altersgrenzen, das zeigt nicht zuletzt der Fall um Tigran, ist beschämend. Denn auch ein elfjähriges Kind kann seit drei Jah- ren im Fußballklub oder in der Theater-AG spielen, eine 13jährige in Deutschland gebo- rene Schwester und gut Deutsch sprechende Eltern haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus diesem Grund haben wir Grünen diese Initiative in den Landtag gebracht.
Ich bin sehr froh darüber, dass der Minister, die Regierungsfraktionen und die Oppositi- on gemeinsam der Auffassung sind, dass die rechtliche Situation von Geduldeten – auch in Schleswig-Holstein – dringend einer politischen Korrektur unterzogen werden muss. Als wir das Thema 2009 auf der Agenda hatten, habe ich nicht geglaubt, dass wir heute, gar nicht mehr über das „Ob“ in Sachen Bleiberecht diskutieren müssen, sondern – nur noch – über das „Wie“... Ich finde, dass das eine äußerst positive Ent- wicklung ist. Für das „Wie“ haben wir Grünen in unserem Antrag für eine Bundesratsini- tiative Antworten gefunden. Ich weiß, dass hier durchaus unterschiedliche Auffassun- gen existieren – ich möchte daher anregen, unseren Antrag und alle Änderungsanträge in den Ausschuss zu überweisen um dort zeitnah über das „Wie“ zu diskutieren.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür streiten, den Menschen, die in den vergangenen Jah- ren zu unseren Schulfreunden, Nachbarn und Mitmenschen geworden sind, eine siche- re Perspektive für ein gemeinsames Leben bekommen können. Wir wollen nicht am laufenden Band durch Kommissionen besondere Härten festgestellt bekommen. Wir wollen nicht, dass es notwendig wird, dass ganze Schulen oder Dorfgemeinschaften 2 um die Aussetzung von Abschiebungen ihrer Mitmenschen und Freunde kämpfen. Wir sollten auch nicht wollen, dass es Politikerinnen und Politiker am Ende sind, die das Schicksal von Geduldeten in die Hand nehmen und erst in allerletzter Sekunde die Ent- scheidung zur Abschiebung aussetzen. Das ist keine Politik für Menschen, sondern es ist ein Spiel mit der Zeit und letztlich auch ein Spiel mit der Macht. Wir wollen nicht, dass Menschen zu Mitmenschen auf Abruf werden.
Das Leben auf gepackten Koffern ist ein menschenunwürdiger Zustand – wir haben es in der Hand, mit Blick auf die Lebenswirklichkeit dieser Menschen in allen Bereichen, diesen Zustand zu ändern. Diesen Schritt sind wir den Menschen, die hier unter uns in Kettenduldung leben, seit sehr vielen Jahren schuldig.



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