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17.11.11
10:22 Uhr
B 90/Grüne

Robert Habeck zur Bundeswehrstrukturreform

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort. Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 2, 29, 41, 42, 46 Bundeswehrstrukturreform Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der Vorsitzende Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel Robert Habeck: Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de

Schwerter zu Smart-Boards Nr. 627.11 / 17.11.2011

Die Bundeswehr wird kleiner. Und das ist gut. Die Bundeswehr verändert ihren Charak- ter. Das bringt uns Probleme, ist aber notwendig. Das große stehende Heer, das wir im Kalten Krieg aufgebaut haben, wird nicht mehr benötigt. Stattdessen brauchen wir neue, flexible, gut ausgebildete Soldaten. Dass die Wehrpflicht abgeschafft wird, be- grüßen wir vor diesem Hintergrund ausdrücklich.
Nämliches zu tun gehört zu den ersten Forderungen der Grünen, jetzt wird auch diese erfüllt. Und ich will nochmals klarstellen, wir wollen weniger, dann aber gut ausgerüste- ten und vor allen Dingen gut ausgebildete Soldaten.
Doch die Zeit, in der öffentliche Mittel für das Militär verschwendet und die Aufrüstung als regionales Stützprogramm funktionierte, ist vorbei.
Dieses Geld fehlt sonst bei wichtigen Aufgaben wie Bildung, Betreuung, Klimaschutz – oder eben dem Schuldenabbau, Herr Finanzminister. Finanzmittel in Militär und Rüs- tung haben relativ wenig Arbeitsmarkteffekte und Wertschöpfung. Im Gegenteil, Fi- nanzmittel in anderen Bereichen, vor allen Dingen Bildung, aber auch Tourismus, Kultur oder Energie, haben deutlich höhere volkswirtschaftliche Effekte.
Eine Forderung, die Umstrukturierung der Bundeswehr nicht anzugehen, weil sie eben immer auch Regionalförderung ist, werden wir nicht erheben und auch nicht beklat- schen. Und Appelle, Herr Ministerpräsident, dass wir uns jetzt nicht wie die CDU in den letzten Legislaturen aufzuführen sollen, sind auch nicht nötig. Das tun wir eh nicht. Nur dagegen zu sein, nur weil die anderen gerade regieren, ist unser Ding nicht. Die Rede, die der Ministerpräsident gehalten hat, hätte in einer anderen Konstellation auch ein SPD-Ministerpräsident gehalten.
Wer den Bundeswehrangehörigen verspricht, dass alles gleich bleiben könne, der be- lügt diese Menschen. Und wir unterscheiden uns damit auch von unseren FreundInnen in der Opposition.
Seite 1 von 3 In der KN vom 13.7.2011 trug ein Artikel zur Marine die Überschrift: „Gabriel fordert mehr Geld für die Marine.“ Was ist das denn? Altbacken und unrealistisch. SPD-Chef Gabriel sollte den Bundeshaushalt kennen. Mehr Geld für die Marine bedeutet weniger Geld in anderen Bereichen oder höhere Schulden.
Dass die zwingend notwendige Umstrukturierung das Land Schleswig-Holstein beson- ders hart trifft, ist letztlich logisch. Unser Land wurde als Festland-Flugzeugträger, als Marinestützpunkt und Garnisonsstandort systematisch aufgerüstet.
Wer sich ein bisschen mit der Landesverteidigung beschäftigt, findet ein Puzzel an Denkwürdigkeiten: da ist der Atomschutzbunker der Landesregierung in Lindewitt und des Flottenkommandos in Glücksburg, da sind die Sprengschächte an Brücken und un- ter Autobahnen, die Autobahnen selbst wurden als zusätzliche Landepisten vorgesehen.
Und Schleswig-Holstein hatte die höchste Stationierungsdichte im Bundesgebiet. Des- halb fällt der Truppenabbau im Land auch überproportional hoch aus. Während im Bundesdurchschnitt 30 Prozent aller Dienstposten wegfallen, sind es in Schleswig- Holstein 41 Prozent.
Damit jedoch, nur dass das nicht verschwiegen wird, bleibt die Bundesregierung hinter dem Sparpaket von zu Guttenberg vom 1.September 2010 zurück. Damals wurde ver- abredet, dass die Bundeswehr ab 2012 jährlich zwei Milliarden Euro einsparen muss, in vier Jahren genau 8,4 Milliarden Euro Einsparsumme. Von diesen konkreten Summen ist jetzt nicht mehr die Rede - leider.
Der Truppenabzug trifft das Land hart. Er trifft Familien hart. Ich denke, jeder von uns hat FreundInnen oder Nachbarn oder Bekannte, die sich jetzt darauf einstellen, aus Schleswig-Holstein wegzuziehen oder eine Wochenendbeziehung einzugehen. Ich wohne in Flensburg, selbst bei meinen Kindern ist der Truppenabzug Thema, weil Ihre Handballmannschaften Halblinke und Kreisläufer verlieren, die Klassen Schulkammer- aden. Für viele Menschen ist es eine große persönliche Belastung. Kommunen werden Kitas schließen müssen, das Handwerk an den Standorten wird erhebliche Auftrags- einbußen hinnehmen müssen, die Wirtschaftskraft des Landes wird weiter geschwächt. Es ist eine Entscheidung, die Schleswig-Holstein wörtlich im Herzen trifft.
Die Ideen, was man mit den Konversionsflächen anstellen kann, sind unterschiedlich konkret, um es positiv auszudrücken. Die Forderung aller hier im Landtag, dass die Bundeswehr den Kommunen die Liegenschaften preiswert überlassen soll, beißt sich allerdings mit dem Vorstoß von Bauminister Ramsauer, einen Fonds zu gründen, aus dem heraus dann die Kommunen abgefunden werden sollen.
Ein Fonds braucht möglichst hohe Einzahlungen, wir setzen auf möglichst preiswerte Abgabe der Liegenschaften. Passt also nicht unbedingt zusammen. Auch wollen wir möglichst zeitnah eine Nutzung, eine zentrale Fondslösung spricht hingegen nicht zwingend für Zeitnähe, sondern für Bürokratie.
Dass die Landesregierung einen Aktionsplan zur Unterstützung der vom Stationie- rungskonzept betroffenen Standorte herausgegeben hat, war zeitnah. Allerdings wird im Wesentlichen auf bereits vorhandene Instrumentarien und Fördermöglichkeiten hin- gewiesen, und wirklich voran bringt uns das auch nicht.
Strukturpolitisch werden die binnenlands liegenden Liegenschaften am ehesten als Energiestandorte Verwendung finden, die maritimen als touristische. Aber auch das ist
2 keine bahnbrechende Erkenntnis. Ich will deshalb auch darauf hinweisen, dass be- stimmte Flächen als Naturerbe zu sichern sind, dort wo sich bedeutende Rückzugsge- biete für empfindliche Tier- und Pflanzenarten gebildet haben.
Wie man es dreht und wendet, es ist verdammt schwierig, Geld hat niemand, von schönen Reden kann sich keiner was kaufen. Wir stehen vor einem Berg von Aufga- ben. Aber wo ein Berg ist, da ist auch ein Weg, wenn es einen Willen gibt! Er ist nicht nur steinig, sondern auch steil. Aber dass wir ihn angehen, ist unvermeidlich. Dass die Umsetzung des Truppenabzugs bis 2015 oder sogar bis 2017 dauern wird, also relativ langsam vor sich gehen wird, ist eine Chance, mit einer gemeinsamen zivil-militärischen Nutzung zu beginnen und den zivilen Nutzungsanteil schrittweise zu steigern.
Unterschiedliche Optionen müssen bedacht werden, es gibt ein umfassendes Instru- mentarium des Bundesverteidigungsministeriums für die sozialverträgliche Personalre- duzierung: vorzeitiger Ruhestand, Personalkostenzuschüsse für neue Arbeitgeber, nicht unerhebliche Einmalzahlungen, Qualifizierungsmaßnahmen für den zivilen Ar- beitsmarkt. Aber das kann es nicht gewesen sein. Und letztlich wird eine Diskussion, nur über die jeweiligen Standorte, der Größe und Bedeutung des Strukturwandels nicht gerecht.
Denn quasi als Gegenstück zum überproportionalen Aufbau der Armee im Norden, be- kamen andere Bundesländer andere Infrastrukturen gesponsert.
Der Westen die Verwaltung, der Süden die Forschungseinrichtungen. Und darüber müssen wir mit Berlin verhandeln. Und das passt auch gut zu den Beschlüssen, die in- zwischen, ich glaube alle Parteien, hier im Land gefällt haben, dass sich der Bund stär- ker an der Bildungsfinanzierung beteiligen soll. Genau das soll er.
Und dass die Bundes-FDP einen wahlkämpfenden Landesverband mit solch einer For- derung so auflaufen lässt, das ist schon ein Affront, Kollege Kubicki. Ich würde aufpas- sen, wenn einer Ihrer Vorsitzenden demnächst Schleswig-Holstein als Nagelprobe der FDP bezeichnet. Nicht dass er Sie meint…
Über eine andere infrastrukturelle Förderung muss die Landesregierung verhandeln. Und das sieht unser Antrag vor: Nicht nur den Blick nach unten zu richten, sondern das Ganze in den Blick zu nehmen und darauf zu pochen, dass, da der Strukturwandel Strukturen betrifft, die politisch vom Bund aufgebaut wurden und die der Bund jetzt ab- baut, eine stärkere strukturelle Unterstützung notwendig ist. Es muss eine Diskussion geben, die größer ist als je nur Standorte.
Ich kann mich noch gut an die Aufnäher auf den Parkas in den Achzigern erinnern. „Schwerter zu Pflugscharen“, ein Bibelspruch aus Micha 4,3. Aber angesichts des an- deren Strukturwandels, nämlich in der Landwirtschaft, und den parallelen Problemen dort, ist er auch nicht richtig aktuell. Deshalb sagen wir: Geht die Bundeswehr, muss die Bildung kommen. Schwerter zu Smartboards!

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