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17.11.11
11:55 Uhr
B 90/Grüne

Bernd Voß zum Katastrophenschutz

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein Pressesprecherin TOP 15 – Große Anfrage Katastrophenschutz Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel der Landtagsabgeordnete Telefon: 0431 / 988 - 1503 Bernd Voß: Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 629.11 / 17.11.2011

Katastrophenschutzplanung auf den Schultern der Freiwilligen in Feuerwehr und Zivilschutz
Vorweg einen Dank an die MitarbeiterInnen der Landesregierung für die Beantwortung der Fragen. Die enormen Schwierigkeiten, vor denen die Bevölkerung und die Behörden in Japan bei der Bewäl- tigung der Reaktorkatastrophe von Fukushima stehen, haben uns zu dieser Großen Anfrage veran- lasst.
Die Katastrophe von Fukushima hat uns einmal mehr auf ganz brutale Weise aus dem täglichen Verdrängen der Möglichkeit einer derartigen, vorher in diesem Ausmaß für uns alle unvorstellbaren Katastrophe gerissen.
Auch wenn zwei von drei schleswig-holsteinischen Atomkraftwerken nie wieder ans Netz gehen sol- len, geht auch von ihnen Gefahr aus. Wir haben zugleich drei atomare Zwischenlager. Brokdorf läuft noch.
Die Antworten der Landesregierung in der Großen Anfrage sind angesichts dieser Lage über weite Strecken ernüchternd, ausweichend bis besorgniserregend.
Ich will das an drei Punkten deutlich machen:
Erstens, die Ereignisverkettung: Die Reaktorkatastrophe in Japan hat gezeigt, dass eine Verkettung mehrerer Ereignisse wie dort Erdbeben und Hochwasserwelle eine Atomkatastrophe erheblich wahrscheinlicher macht, und zugleich die Reaktionsmöglichkeiten erschwert und sich Schäden po- tenzieren können. Aus den Antworten geht nicht hervor, dass es eine szenarienabhängige Planung gibt, es gibt keine Planung für komplexe Katastrophen und keine abgestimmte Planung für die Risi- kopotenziale der verschiedenen Anlagen.
Es wird bei der Notfallplanung des Betreibers von einer Wettersituation ausgegangen, die grade mal 95 Prozent der meteorologischen Situationen abdeckt.

Seite 1 von 2 Bei der Frage der Erreichbarkeit der Atomkraftwerke in der Überflutungssituation wird lapidar auf die zwei Tore im Zaun verwiesen. Die Notstromversorgungssysteme des Atomkraftwerkes Brokdorf sind bei einem Stromausfall nur auf vier Tage Notbetrieb ausgelegt. Dann geht der Treibstoff aus.
Wir haben gefragt, wie die Bevölkerung evakuiert wird, wie die Jodtabletten verteilt werden. Die Pla- nungen gehen davon aus, dass 80 Prozent der Menschen das Gebiet selbstständig z.B. mit dem PKW verlässt. Die Infrastruktur Straße und Bahn würden benutzbar bleiben.
Dies ist bei Hochwasser schwer vorstellbar, wie auch die geordnete Verteilung der Jodtabletten. Auch wenn jede Katastrophe ein Einzelfall ist: Zur Vorbereitung gehört die Vorplanung der verschie- denen Szenarien, die Katastrophenforschung in Kiel zu halten, die Einbeziehung der Gesundheits- ämter der Kreise in die Planungen und besonders die Übung mit breiter Beteiligung der Bevölke- rung.
Zweitens: Auch atomarer Katastrophenschutz lastet überwiegend auf den Schultern von freiwilligen Einsatzkräften der Feuerwehr und des Zivilschutzes.
Wegen der Aussetzung der Wehrpflicht ist unklar, wie viele Kräfte im Rahmen der zivil- militärischen Zusammenarbeit über den dann einberufenen Führungsstab Katastrophenschutz je nach Verfüg- barkeit der Bundeswehr abberufen und eingesetzt werden können.
Ebenfalls unklar ist, in welchem Umfang und wofür der 1977 von den Betreibern der deutschen A- tomkraftwerke gegründete kerntechnische Hilfsdienst zum Einsatz kommt.
Katastrophenschutzplanung auf den Schultern von Freiwilligen in Feuerwehr und Zivilschutz ist für die Atomkraftbetreiber zu preiswert. Die Atomkraftbetreiber müssen endlich auch bei den Kosten in vollem Umfang in die Pflicht genommen werden.
Drittens der Überflutungsschutz: Es ist beunruhigend, dass in Krümmel der Deich auf niedersächsi- scher Seite 14 cm niedriger liegt als der gefährdete Bereich des Atomkraftwerkes. Das Fazit der Landesregierung ist: Überflutung ausgeschlossen. Das Wasser fließt zuerst auf niedersächsisches Gebiet.
Entsprechend der Empfehlung der Reaktorsicherheitskommission nach den Ereignissen in Japan muss besonders für Brokdorf das Notfallschutzkonzept überprüft werden: Das betrifft neben der Funktionsdauer und Sicherheit des Atomreaktors auch die Flutsicherheit.
Während der Deich vor dem AKW Brokdorf bis zu einem Wasserstand von 8,4 m über NN gesichert ist, geht man bei einem Deichbruch von einem Wasserstand von 2.85 m über NN auf dem dahinter liegenden Kraftwerksgelände aus. Dann bleibt noch eine Reserve von 1,45 m, bis das Wasser die sicherheitstechnisch relevanten Gebäude gefährdet. Bei einem Wasserstand von 4,3 m geht der Reaktor baden.
Die Atomkraft können wir beeinflussen durch abschalten: Diese Erkenntnis fängt an, sich durchzu- setzen. Wer, wie die Landesregierung, von einer veränderten Sachlage bei der Bewertung der A- tompolitik ausgeht, muss auch beim Katastrophenschutz konsequent sein. Die Risiken von Groß- schadenslagen – das hat Japan gezeigt – können kumulativ eintreten, und sie sprengen alle unsere bisherigen Übungs- und Einsatzszenarien. Die Landesregierung muss Konsequenzen in der Katast- rophenschutzplanung ziehen. Die Antworten der Großen Anfrage lassen nur den Schluss zu, dass hier intensiv nachgearbeitet werden muss.
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