Anke Spoorendonk zu TOP 15 - Katastrophenschutzplanung bei atomaren Unfällen
PresseinformationKiel, den 16. November 2011 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 15 Katastrophenschutzplanung bei atomaren Unfällen Drs. 17/1843Dass es trotz aller Sicherheitsmaßnahmen und Schutzsystemen zu einem atomarenUnfall kommen kann, hat uns in diesem Jahr der Unfall in Fukushima mit allerDeutlichkeit vor Augen geführt. Nach diesem Unfall fragten sich Viele, wie Schleswig-Holstein auf so einen Unfall vorbereitet ist; schließlich wohnen wir in der Nachbarschaftvon drei Atommeilern.Es geht also nicht darum, uns vor einer Katastrophe zu schützen, sondern dieBevölkerung nach einer Katastrophe vor Strahlung zu schützen. Der einzige Schutz voratomaren Katastrophen sieht völlig anders aus: nämlich darin, alle Atommeilerabzuschalten.Zunächst ist den Fragestellern zu danken, denn ihre Fragen berühren alle wichtigenPunkte rund um den Bevölkerungsschutz nach einem atomaren Unfall und dienen der 2Versachlichung der Debatte. Die aktuelle Rechtslage, die überwiegend ehrenamtlicheStruktur des Katastrophenschutzes und die Zuständigkeiten werden klar ersichtlich. Klarwird aus den Antworten des Innenministers auch, was noch zu tun ist. Angesichts desHandlungsbedarfs sollten wir das vorliegende Papier als Grundlage für weitereDiskussionen nutzen. Die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein erwarten vonuns klare und nachvollziehbare Entscheidungen. Und die sollten nicht lange auf sichwarten lassen.Im Einzelnen möchte ich auf zwei Punkte eingehen. Erstens, die Einbeziehung derBundeswehr, die nach dem Rückzug der Bundeswehr und der Schließung von achtStandorten sicherlich nicht mehr dem aktuellen Planungsstand entspricht.Dementsprechend offen fällt die Antwort des Innenministers aus, der keine einzigeEinheit der Bundeswehr nennt, die im Katastrophenfall herangezogen werden kann. Dasist unbefriedigend. Hier muss der Minister nachlegen und Fakten nennen, so dass dieBürgerinnen und Bürger wissen, wo beispielsweise die Strahlenmessgeräte stationiertsind. Ziel muss die Erstellung einer Landkarte des Bevölkerungsschutzes sein, die vorallem bezüglich der Evakuierungen möglichst detailliert und klar sein muss. Im Übrigendrückt sich der Innenminister nicht nur bezüglich der Einbeziehung der Bundeswehr voreiner klaren Antwort. Dort, wo er nach Geld gefragt wurde, wie bei der Höhe der Kostenfür die Katastrophenforschung, findet sich ebenfalls keine konkrete Zahl. Das istbedauerlich und gibt unnötigen Raum für Spekulationen. Mehr Klarheit wäre hierangebracht gewesen.Im Zuge der Aufhebung der Wehrpflicht zeigt man sich beim Landesfeuerverbandbesorgt, dass freigestellte Bundeswehrsoldaten für die Löschzüge Gefahrgut nicht mehrzur Verfügung stehen. Sie bilden oftmals das personelle Rückgrat der Löschzüge undwurden teilweise zum 1. Juli entpflichtet. In einigen Kreisen wurde die Personaldecke so 3dünn, dass die Einsatzfähigkeit der Löschzüge gefährdet ist. Hier muss der Innenministerdie Feuerwehren bei der Rekrutierung unterstützen.Das zweite Problemfeld, das ich ansprechen möchte, ist die technologische Schieflage, indie der Katastrophenschutz zu geraten droht. Der Kieler KatastrophenforscherforscherWilli Streitz warnt seit Jahren davor, ausschließlich auf komplizierte technischeLösungen im Katastrophenschutz zu setzen, die im Falle eines Stromausfalls völligwertlos seien. Man zerstört intakte Strukturen, wenn beispielsweise Sirenen abgebautwerden, um deren Wartung zu sparen. Redundanz sei nicht immer gewährleistet, wennalle System beispielsweise vom Strom abhängen. Mit der Kritik von Streitz und seinenKollegen muss man sich in Kiel aber nicht mehr auseinandersetzen, nachdem dieKatastrophenforschungsstelle vor sechs Wochen geschlossen wurde. Dementsprechendunbeschwert wirbt der Minister mehrmals für bestimmte Internetseiten, allen voran dieSeite www.jodblockade des Bundesumweltministers. Der SSW warnt an dieser Stelleausdrücklich davor, persönliche Beratung zum Thema Bevölkerungsschutz durchBroschüren oder Internetpräsens zu ersetzen. Die Strahlenschutzverordnung sprichtklipp und klar von einer Informierung, die „in geeigneter Weise und unaufgefordert“ zuerfolgen habe; der individuelle Aufruf von Internetseiten ist damit sicherlich nichtgemeint.Zum Abschluss warne ich ausdrücklich davor, den Bevölkerungsschutz nach einematomaren Unfall isoliert als Angelegenheit weniger Expertinnen und Experten zubetrachten. Der Bevölkerungsschutz ist auf eine funktionierende Infrastrukturangewiesen. Wenn aber Straßen, Brücken oder Eisenbahnstrecken nicht in Ordnung sind,können die in der Antwort genannten 80% der Betroffenen gar nicht schnell genug dasEvakuierungsgebiet verlassen. Sie bleiben schlicht und einfach in den Baustellen stecken.