Lars Harms zu TOP 28 u. 42 - Digitale Gesellschaft ermöglichen
PresseinformationKiel, den 27. September 2012 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 28 u. 42 Digitale Gesellschaft ermöglichen Drs. 18/1173Wie so oft, hinkt der Gesetzgeber der digitalen Wirklichkeit hinterher. Inzwischen kann ich garnicht mehr zählen, wie viele Vorhaben wir hier im Landtag angestoßen oder beraten haben,nachdem eine gerichtliche Einzelfallentscheidung gefallen ist. Immer wieder geht es um dieNeujustierung von Informationsfreiheit, Informationsbeschaffung und Informationsverwertung.So ist es auch mit der so genannten Störerhaftung. In dieser Sache sind zwischenzeitlich mehr als20 Urteile ergangen, die sich auch noch teilweise widersprechen. Die Situation ist derzeit völligunübersichtlich.Worum geht es? Es geht darum, dass Rechteinhaber gegen Nutzer und deren illegale Downloadsvorgehen; diese aber lediglich den freien Zugang zum Netz zur Verfügung stellten. Dereigentliche Täter, der so genannte Störer, ist gar nicht zu ermitteln. Darum halten sich dieRechteinhaber auch an den WLAN-Betreiber, was allerdings nur für Privatpersonen gilt.Die zahlreichen Gerichtsverfahren hatten anfangs eine ganze Menge mit der Unerfahrenheit zutun, die viele Nutzer im Umgang mit der neuen Technik an den Tag legten. Der kabellose Zugangin der ganzen Wohnung oder im ganzen Haus ist schon etwas Feines. Allerdings war denwenigsten Nutzern zunächst klar, dass so ein Netz nicht an der Haustür endet, sondern bis zum 2Nachbarn oder auf die Straße reichen kann. Den illegalen Downloadern war das ziemlich schnellklar. Sie nutzten unerkannt die freien Netze, um Lieder oder Filme herunter zu laden.2010 ging es zum Beispiel dem Bundesgerichtshof um eine vergleichsweise kleine Summe, dieeine Frau für einen illegalen Download zahlen sollte. Sie war aber zur Downloadzeit gar nicht vorOrt, sondern im Urlaub, konnte die entsprechende Urheberrechtsverletzung also gar nichtbegangen haben. Damit, dachte sie, wäre sie aus dem Schneider. Der Bundesgerichtshof sah dasanders und legte den privaten Nutzern eine Haftung auf. Dieser können sie nur entgehen, wennsie das Netz fachgerecht verschlüsseln.Genau hier kritisieren die entsprechenden Fachverbände und Internetforen das Urteil alssachfremd; schließlich ist es gar nicht so einfach, das eigene Netz effektiv zu sichern. Im Netzkursieren massenhaft elektronische Schlüssel, die ein WLAN-Netz im Handumdrehen knackenund zugänglich machen, ohne Spuren zu hinterlassen. Der private Nutzer steht dann da, ohne dieMöglichkeit, beweisen zu können, die entsprechenden Inhalte gar nicht selbst herunter geladenzu haben. So entstehen Abmahn-Industrien. Tatsächlich gibt es inzwischen mehrere Kanzleien,die sich auf die Abmahnung illegaler Downloads spezialisiert haben und jeden Tag tausendeAbmahnungen auf den Weg bringen.Gleichwohl geht es in diesem Fragen insbesondere auch darum, welche Verantwortung wir fürunser Tun und unser Nicht-Tun haben. Dabei muss man sich nach unserer Auffassung amGrundsatz, dass Gleiches gleich zu behandeln ist orientieren. Es ist nicht nachvollziehbar, dassein privater WLAN -Betreiber für sein offenes Netz haften muss und ein kommerzielles Internet-Cafe oder ein gastronomischer Betrieb mit freiem Netzzugang nicht. Es ist aber auch nichtnachvollziehbar, dass jeder, der etwas in Betrieb nimmt, nicht auch dafür haften muss, wenn eranderen dadurch Schaden zufügt. Insbesondere diese Frage, ist in Bezug auf die Internetnutzungallerdings zu kompliziert, als dass man sie mit einem Satz allumfassend beantworten könnte.Wahrscheinlich erscheint mir, dass hier nicht nur eine juristische Frage gestellt werden muss,sondern sich hier insbesondere eine technische Frage stellt. Darum gilt es, zunächst technischeLösungen zu entwickeln, die einen Ausgleich von Rechteinhabern und Nutzern befördern. Wäre 3der Störer jederzeit identifizierbar oder auch nur die widerrechtliche Nutzung eines Netzesnachvollziehbar, dann wäre der WLAN-Betreiber beispielsweise draußen vor. Es geht ja darum,dass die neuen Probleme, die in der ja noch jungen digitalen Welt entstehen können, vernünftiggelöst werden. Dazu zählt dann auch, dass manchmal fahrlässiges Handeln nicht zu solch hartenKonsequenzen führen darf, die wir heute schon als völlig unangemessen empfinden. Gleichzeitigdarf es aber auch nicht so sein, dass die Menschen völlig aus der Verantwortung für ihrfahrlässiges Tun entlassen werden. Deshalb ist eine saubere Trennung zwischen demfahrlässigen Tun – hier ein offenes WLAN-Netz – und dem kriminellen Handeln – zum Beispielillegale Downloads – nötig. Und das ist nicht nur eine juristische Frage, sondern eben auch einetechnische Frage, die nicht wir als Gesetzgeber, sondern möglicherweise ganz andere lösenmüssen.