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27.09.12
11:34 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 28 u. 42 - Digitale Gesellschaft ermöglichen

Presseinformation
Kiel, den 27. September 2012 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 28 u. 42 Digitale Gesellschaft ermöglichen Drs. 18/1173
Wie so oft, hinkt der Gesetzgeber der digitalen Wirklichkeit hinterher. Inzwischen kann ich gar
nicht mehr zählen, wie viele Vorhaben wir hier im Landtag angestoßen oder beraten haben,
nachdem eine gerichtliche Einzelfallentscheidung gefallen ist. Immer wieder geht es um die
Neujustierung von Informationsfreiheit, Informationsbeschaffung und Informationsverwertung.
So ist es auch mit der so genannten Störerhaftung. In dieser Sache sind zwischenzeitlich mehr als
20 Urteile ergangen, die sich auch noch teilweise widersprechen. Die Situation ist derzeit völlig
unübersichtlich.
Worum geht es? Es geht darum, dass Rechteinhaber gegen Nutzer und deren illegale Downloads
vorgehen; diese aber lediglich den freien Zugang zum Netz zur Verfügung stellten. Der
eigentliche Täter, der so genannte Störer, ist gar nicht zu ermitteln. Darum halten sich die
Rechteinhaber auch an den WLAN-Betreiber, was allerdings nur für Privatpersonen gilt.
Die zahlreichen Gerichtsverfahren hatten anfangs eine ganze Menge mit der Unerfahrenheit zu
tun, die viele Nutzer im Umgang mit der neuen Technik an den Tag legten. Der kabellose Zugang
in der ganzen Wohnung oder im ganzen Haus ist schon etwas Feines. Allerdings war den
wenigsten Nutzern zunächst klar, dass so ein Netz nicht an der Haustür endet, sondern bis zum 2
Nachbarn oder auf die Straße reichen kann. Den illegalen Downloadern war das ziemlich schnell
klar. Sie nutzten unerkannt die freien Netze, um Lieder oder Filme herunter zu laden.
2010 ging es zum Beispiel dem Bundesgerichtshof um eine vergleichsweise kleine Summe, die
eine Frau für einen illegalen Download zahlen sollte. Sie war aber zur Downloadzeit gar nicht vor
Ort, sondern im Urlaub, konnte die entsprechende Urheberrechtsverletzung also gar nicht
begangen haben. Damit, dachte sie, wäre sie aus dem Schneider. Der Bundesgerichtshof sah das
anders und legte den privaten Nutzern eine Haftung auf. Dieser können sie nur entgehen, wenn
sie das Netz fachgerecht verschlüsseln.
Genau hier kritisieren die entsprechenden Fachverbände und Internetforen das Urteil als
sachfremd; schließlich ist es gar nicht so einfach, das eigene Netz effektiv zu sichern. Im Netz
kursieren massenhaft elektronische Schlüssel, die ein WLAN-Netz im Handumdrehen knacken
und zugänglich machen, ohne Spuren zu hinterlassen. Der private Nutzer steht dann da, ohne die
Möglichkeit, beweisen zu können, die entsprechenden Inhalte gar nicht selbst herunter geladen
zu haben. So entstehen Abmahn-Industrien. Tatsächlich gibt es inzwischen mehrere Kanzleien,
die sich auf die Abmahnung illegaler Downloads spezialisiert haben und jeden Tag tausende
Abmahnungen auf den Weg bringen.


Gleichwohl geht es in diesem Fragen insbesondere auch darum, welche Verantwortung wir für
unser Tun und unser Nicht-Tun haben. Dabei muss man sich nach unserer Auffassung am
Grundsatz, dass Gleiches gleich zu behandeln ist orientieren. Es ist nicht nachvollziehbar, dass
ein privater WLAN -Betreiber für sein offenes Netz haften muss und ein kommerzielles Internet-
Cafe oder ein gastronomischer Betrieb mit freiem Netzzugang nicht. Es ist aber auch nicht
nachvollziehbar, dass jeder, der etwas in Betrieb nimmt, nicht auch dafür haften muss, wenn er
anderen dadurch Schaden zufügt. Insbesondere diese Frage, ist in Bezug auf die Internetnutzung
allerdings zu kompliziert, als dass man sie mit einem Satz allumfassend beantworten könnte.
Wahrscheinlich erscheint mir, dass hier nicht nur eine juristische Frage gestellt werden muss,
sondern sich hier insbesondere eine technische Frage stellt. Darum gilt es, zunächst technische
Lösungen zu entwickeln, die einen Ausgleich von Rechteinhabern und Nutzern befördern. Wäre 3
der Störer jederzeit identifizierbar oder auch nur die widerrechtliche Nutzung eines Netzes
nachvollziehbar, dann wäre der WLAN-Betreiber beispielsweise draußen vor. Es geht ja darum,
dass die neuen Probleme, die in der ja noch jungen digitalen Welt entstehen können, vernünftig
gelöst werden. Dazu zählt dann auch, dass manchmal fahrlässiges Handeln nicht zu solch harten
Konsequenzen führen darf, die wir heute schon als völlig unangemessen empfinden. Gleichzeitig
darf es aber auch nicht so sein, dass die Menschen völlig aus der Verantwortung für ihr
fahrlässiges Tun entlassen werden. Deshalb ist eine saubere Trennung zwischen dem
fahrlässigen Tun – hier ein offenes WLAN-Netz – und dem kriminellen Handeln – zum Beispiel
illegale Downloads – nötig. Und das ist nicht nur eine juristische Frage, sondern eben auch eine
technische Frage, die nicht wir als Gesetzgeber, sondern möglicherweise ganz andere lösen
müssen.