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21.02.13
12:45 Uhr
Piratenpartei

Wolfgang Dudda (TOP 15): Demenzplan erstellen und umsetzen #6Piraten @Oreo_Pirat

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Kiel, 21.02.2013 Wolfgang Dudda (TOP 15): Demenzplan erstellen und umsetzen
[Redemanuskript des Piratenabgeordneten Wolfgang Dudda zum TOP 15 der Plenarsitzung des Schleswig-Holsteinischen Landtags vom 21.02.2013. --- Es gilt das gesprochene Wort!]
Anrede, wir haben viel über Zahlen gehört. Das muss ich an dieser Stelle nicht wiederholen. Ich habe mich intensiv mit diesem Antrag beschäftigt, weil er wichtig ist, vor allem aber, weil das Thema, das er behandelt so ungemein komplex und schwierig ist. Ich finde es gut, dass die Mehrheitsfraktionen das Thema noch einmal in dieser Weise aufgegriffen haben, nachdem sie damit in der letzten Legislaturperiode an den Mehrheitsverhältnissen gescheitert sind. Sie wollen sich um Menschen kümmern, dies es selbst nicht mehr ausreichend können. Da sind wir Piraten dabei; das finden wir gut.
„Ich habe mich sozusagen selbst verloren“, beschrieb Auguste Deter ihren Zustand, als sie im Jahr 1901 in eine Anstalt für Irre und Epileptische in Frankfurt am Main eingewiesen wurde. Ihr behandelnder Arzt war Alois Alzheimer – sein Name wurde zum Begriff, denn fast zwei von drei Demenzkranke sind an Alzheimer erkrankt. Es gibt bekannte Alzheimer- Patienten wie Margret Thatcher oder Ernst Albrecht oder Rudi Assauer, und es gibt die fast 1,4 Millionen Demenz-Erkrankte bundesweit.
Anders als 1901 werden an Demenz-Erkrankte nicht weggesperrt oder schlicht mit Psychopharmaka ruhig gestellt, auch wenn der Name darauf schließen lassen könnte: Demenz, ohne Geist – genau das sind die Erkrankten nicht. Sie können nur ihr „Ich“ nicht mehr in Raum und Zeit verorten. Es ist, als sickere die Persönlichkeit Tropfen für Tropfen aus dem Menschen heraus, habe ich den Erfahrungsbericht einer Angehörigen gehört. Demenz-Erkrankte leben ihr Leben anders, jenseits jeder Norm. Sie fürchten sich, verzweifeln, empfinden zunächst auch Aggression oder ziehen sich Stück für Stück zurück, unfähig, am Leben um sie herum teilzunehmen. Sie werden kleiner, blasser und verschwinden in dem Neben, der sie umgibt. Unerreichbar für sich selbst und andere. Darum ist es für alle so schwer und fremd, mit dieser fortschreitenden Krankheit umzugehen.
An Demenz zu erkranken bedeutet vor allem, dass man einen vielleicht sehr langen Weg vor sich hat, auf dem man immer mehr geistige und seelische Fähigkeiten verliert. Um so besser wir diese – noch unheilbare - Krankheit verstehen, um so besser wird es uns gelingen, Menschen, die die Pflege als ihre Berufung verstehen, in ihrem Bestreben zu unterstützen, demenzkranke Menschen zu begleiten auf diesem langen, oft schmerzhaften Weg. Drei von vier Erkrankten leben in einem Heim, einer stationären Einrichtung, weil es ihrer Familie nicht mehr möglich ist, bis zum Schluss mit ihnen allein zu gehen. Auch die Angehörigen brauchen professionelle, einfühlsame Hilfe.
Mit jedem Schritt, den diese tückische Krankheit voranschreitet, sind die Betroffenen darauf angewiesen, dass ihr Umfeld die verloren gegangenen Fähigkeiten sensibel, kreativ und immer wieder neu ergänzt und schließlich ersetzt. Demenz – das ist keine liebenswerte Tüddeligkeit, kein zeitweises Nachlassen des Gedächtnisses. Demenz ist ein fortschreitender Krankheitszustand bei dem der Erkrankte immer weniger in der Lage ist, sein Kranksein, seine Bedürftigkeit mitzuteilen. Sein Umfeld, die Pflegenden und Betreuenden, sind zunehmend auf Intuition und Vermutungen angewiesen. Dabei sind sie natürlich oft unsicher, überfordert und gelangen oft an die Grenzen ihrer Kräfte. Dabei ist es völlig unerheblich, ob der Erkrankte in der Familie gepflegt wird oder in einem spezialisierten Heim. Jeder – wirklich jeder - gerät hier immer wieder an die Grenzen seiner Möglichkeiten und seiner Kraft. Immer wieder begegnet er nicht nur der Krankheit, sondern auch der Verzweiflung und Angst, mit denen die Erkrankten zusätzlich kämpfen und die ihren Emotionen sehr unterschiedlich Ausdruck verleihen. Ständige Verzweiflung, tiefste Traurigkeit, auch extreme Aggression oder totale innere Emigration - das alles begegnet auch den Menschen, die den Kranken zu Seite stehen wollen.
Rund 12.000 stationäre Einrichtungen in Deutschland stehen vor der schwierigen Aufgabe, diesem Krankheitsbild gerecht zu werden. In Schleswig-Holstein kennt man vor allem das Haus Schwansen als besonders Heim, das sich auf Demenz spezialisiert hat. Die Aufgabe, die sich auch dieses Haus gestellt hat, wird immer drängender, weil Demenz inzwischen der Hauptgrund für eine stationäre Weiterversorgung geworden ist. Demenz im familiären Umfeld zu begegnen und den Erkrankten angemessen zu begleiten, gelingt meist nur bis zu einem gewissen Meilenstein. Die Pflege in einer stationären Einrichtung ist oft der letzte verzweifelte Schritt, den Menschen tun müssen, wenn sie der Aufgabe, die das Leben an sie stellt, nicht mehr gewachsen sind. Die Mehrheit der Pflegeheimbewohner insgesamt ist heute demenzkrank.
Demenz bessert sich nicht. Sie schreitet fort. Allein diese Erkenntnis lässt darauf schließen, dass ein guter Umgang mit Demenzkranken eine veränderte Haltung zur Pflege erfordert. Wer in der Demenzpflege tätig ist, braucht Kraft und Mut, sich auf die veränderte Lebenssituation des Erkrankten einzustellen. Er kann nicht anders handeln, als er es tut – mag dies auch noch so stark von der Norm abweichen, dass es Außenstehenden als absonderlich erscheint. Der Demenzkranke muss genau beobachtet werden, um seine Situation und seine Ansprüche ableiten zu können. Das verwirrte Verhalten eines Demenzkranken kann Rätsel aufwerfen. Rätsel, die gelöst werden müssen. Wir haben auch in Schleswig-Holstein Heime, die auf dem Wege der Demenzkrankenpflege gut vorangekommen sind. Verschiedene Projekte wie „Transaltern“ setzen eine substantielle personelle Ausstattung voraus. Und da sind wir an dem Punkt, um den ich den Demenzplan gerne erweitern würde, denn die Lage und Ausstattung der Heime, in denen die Erkrankten gepflegt werden, werden nicht berücksichtigt, Ich würde gerne mehr erfahren über die unterschiedlichen Konzepte und den Erfahrungsaustausch, ohne den Demenzforschung nicht gelingen kann. An das professionelle Personal werden besondere Anforderungen gestellt und die sollten wir aufarbeiten, denn danach richtet sich die Ausbildung, die ggf. für den Demenzbereich spezialisiert werden muss.
Ich würde mich freuen, wenn wir diesen Aspekt in den – ich muss es an dieser Stelle sagen – ehrgeizigen Anforderungskatalog, den Sie hier aufgestellt haben, - aufnehmen könnten. Das kommt mir hier zu kurz, das finde ich aber wichtig. Ich würde mich freuen, wenn wir das irgendwie mit einbauen könnten. Ansprechpartner: MdL Wolfgang Dudda (Tel.: 0431 – 988 1637, wolfgangdudda@googlemail.com, Twitter: oreo_Pirat) Pressestelle: Dr. Stefan Appelius (Tel.: 0171 – 5444282)