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22.02.17
12:38 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zur Aktuellen Stunde zur Abschiebepolitik

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 1 – Aktuelle Stunde zur Abschiebepolitik Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt die Vorsitzende Zentrale: 0431 / 988 – 1500 der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Eka von Kalben: presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 062.17 / 22.02.2017



Wir brauchen einen bundesweiten Abschiebestopp, um Menschenrechtsverletzungen bei einer Rückkehr auszuschließen
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Herren!
Ich will mit einem positiven Aspekt aus dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonfe- renz beginnen: Die Stärkung der Rückkehrberatung ist gut und richtig. Die freiwillige Rückkehr hat Vorrang.
Wer nicht bleiben kann, hat einen Anspruch auf eine Rückkehr- und Perspektivbera- tung. Wir begrüßen es daher, dass Bund und Länder gemeinsam vereinbart haben, die freiwillige Rückkehr finanziell zu stärken. Damit folgt der Bund unserer Prioritätenset- zung zumindest in dieser Hinsicht. Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekom- men ist.
Das ist auch längst gelebte Realität in Deutschland. In den ersten elf Monaten 2016 wurden 23.750 Personen abgeschoben, daneben wurden 51.243 Hilfen zur freiwilligen Ausreise gebilligt.
Aber mit dem Anerkennen von Realitäten hat es die Union ja nicht so.
Und Realität ist auch, Herr Günther, dass wir die Beschlüsse der Ministerpräsidenten- konferenz weitgehend schon umsetzen.
Ich bin auch dankbar, dass unser Ministerpräsident in den Verhandlungen deutlich da- Seite 1 von 4 rauf gedrängt hat, dass die Vereinbarung vorbehaltlich des konkreten Gesetzentwurfes gilt. Genauso hat es auch Innenminister Studt anschließend in seiner Presseerklärung kommentiert.
Direkt im Punkt Nummer 1 steht es, schauen Sie genau hin, Herr Günther: “1. … wobei sich die Länder eine abschließende Bewertung im Lichte des konkret vorliegenden Ge- setzentwurfes vorbehalten”. Und genauso werden wir das handhaben, Herr Günther.
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf zeigt, wie wichtig eine umfangreiche parlamentari- sche Beteiligung ist bzw. sein sollte. Der Gesetzentwurf ist eine völlig wahnwitzige Ver- mischung von Sicherheits- und Asylfragen im schönsten Hauruck-Aktionismus à la Seehofer.
Ich hätte mir beim Papier der Ministerpräsidentenkonferenz schon gewünscht, dass diese zwei Sachbereiche wenigstens in zwei getrennten Papieren behandelt werden. Aber es ist offensichtlich nahezu unmöglich, mit Sachargumenten zur Union durchzu- dringen.
Dabei ist es CDU und CSU nicht nur völlig egal, dass sie damit gezielt Stimmung gegen Geflüchtete macht. Es ist ihr erklärtes Ziel. Und ich sage Ihnen: Dabei machen wir nicht mit.
Falsch ist es aus meiner Sicht auch, dass von der Ministerpräsidentenkonferenz kein Wort zu Afghanistan verlautbart wurde.
Die zahlreichen Proteste am vorvergangenen Wochenende machen deutlich: Viele Menschen können nicht verstehen, wie in ein Kriegsgebiet abgeschoben werden kann. Ich bin enttäuscht, dass Abschiebungen nach Afghanistan trotz UNHCR-Bericht, den Zahlen der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Afghanistan und die Ein- stellung der Arbeit des Internationalen Roten Kreuzes nicht mal ein Thema für die Uni- on sind.
Wir brauchen einen bundesweiten Abschiebestopp, um Menschenrechtsverletzungen bei einer Rückkehr auszuschließen. Die Bundesregierung muss ihre Sicherheitsbewer- tung aktualisieren.
De Maizière hat in einem Schreiben vom 9.1.2017 gegenüber den Ländern ausgeführt, dass er auf der Grundlage des UNHCR-Berichtes vom 22.12.2016 davon ausgehe, dass es in Afghanistan Regionen geben, in denen kein bewaffneter Konflikt ausgetra- gen werde. Es sei Personen, die nach Afghanistan rückgeführt würden, möglich, dort zu leben. Das decke sich mit der Einschätzung des Internationalen Organisation für Migra- tion.
Aus der Stellungnahme des UNHCR vom 22.12.2016 geht zwar hervor, dass es auch vergleichsweise sichere Regionen gibt. Der Bericht geht jedoch einleitend davon aus, dass sich die Lage in Afghanistan deutlich verschlechtert habe und es einer genauen Einzelfallprüfung bedürfe, um festzustellen, wer in der Lage sei, sich in diesen Regio- nen zu integrieren. Darüber hinaus macht der UNHCR deutlich, dass die Sicherheitsla- ge so volatil ist, dass eine heute sichere Region morgen eine unsichere Region sein kann. Völlig unklar bleibt überdies, wie diese sicheren Regionen zu erreichen sind und wie ohne dort vorhandenen Sozialverband eine Ansiedlung überhaupt möglich sein soll.
Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Afghanistan hat bezüglich der
2 Sicherheitslage für unbewaffnete ZivilistInnen festgestellt, dass die Anzahl der getöte- ten oder verletzen ZivilistInnen in fünf der acht Regionen Afghanistans in 2016 ange- stiegen und damit ein neuer Höchststand an Opfern erreicht ist.
Inzwischen gibt es Meldungen von Anschlägen in Kabul, bei denen ein kürzlich rückge- führter Afghane bei Anschlägen verletzt wurde.
De Maizière setzt dem Ganzen die Krone auf, wenn er jetzt auf den Unterschied zwi- schen “Opfern” von Anschlägen und “Zielen von Anschlägen” verweist. Ob man „nur“ Opfer ist oder Ziel, ist wohl ziemlich egal, wenn man am Ende tot oder verletzt ist.
Das „C“ in CDU ist keinen Heller mehr wert. Das gilt nur noch bei Debatten um den Gottesbezug in der Verfassung. Ich nenne das scheinheilig.
Eine Anmerkung auch noch zu den Piraten. Ihre Anträge lehnen wir ab, weil sie hand- werklich unter aller Kanone sind. Ihre Darstellung, dass der Abschiebestopp auf Ihre Initiative erfolgt ist, ist falsch. Bereits im November hat unsere Küstenkoalition in einem Landtagsantrag beschlossen, dass wir Abschiebungen nach Afghanistan ablehnen. Da brauchten wir Ihren Antrag im Januar überhaupt nicht mehr.
Wir hätten uns auch gewünscht, dass von der Ministerpräsidentenkonferenz ein klares Signal für die vielen gut integrierten Menschen in unserem Land ausgeht, die keinen si- cheren Status haben. Dass sie willkommen sind und dass sie bleiben dürfen.
Wir brauchen eine Altfallregelung für diejenigen, die seit Jahren in einer Dauerwarte- schleife hängen und nicht vorankommen. Sie sind längst Teil unserer Gesellschaft. Wir wollen ihnen Mitbestimmung und Teilhabe ermöglichen.
Mit Paragraf 25a des Aufenthaltsgesetzes sollte damit eigentlich ein Einstieg gemacht sein. Aber zahlreiche Jugendliche scheitern immer noch an den zu hohen Hürden. Es kann doch nicht sein, dass wir gut integrierte junge Menschen, die hier zur Schule ge- hen oder sich ausbilden lassen, wieder wegschicken. Das verstehen die Menschen vor Ort nicht und ich ehrlich gesagt auch nicht. Ansatzpunkte wären, die Altersgrenze her- aufzusetzen oder die Mindestaufenthaltsdauer zu senken.
Herr Günther, wenn Sie fragen, wie wir den Beschluss in Punkto Abschiebehaft genau umsetzen, kann ich nur sagen: Genaues lesen hilft. Der Punkt ist für Schleswig- Holstein bereits umgesetzt. Wir stellen längst eine ausreichende Zahl von Abschiebe- haftplätzen zur Verfügung.
Wir brauchen keine Neu- oder Wiedergründung der Abschiebehaft in Schleswig- Holstein, da sind wir uns in der Koalition zum Glück einig. Wir können in Eisenhütten- stadt belegen und das reicht.
Und auch das laute Rufen nach Ausreisegewahrsam geht völlig an der Realität vorbei. Bislang haben wir dort niemanden untergebracht, die vorgehaltenen Plätze sind völlig ausreichend. Erkennen Sie doch zur Abwechslung wenigstens hier mal die Realitäten an.
Wo wir gerade beim Anerkennen von Realitäten sind: Es ist 2017 und allerhöchste Ei- senbahn für ein Einwanderungsgesetz in Deutschland. Das fordern wir Grüne schon lange und hoffen, dass dieses Jahr Nägel mit Köpfen gemacht werden. Wir brauchen eine Neuordnung der Einwanderung. Wir wünschen uns, dass darin auch der Spur-
3 wechsel endlich Realität wird. Wer mit einem Asylgesuch gekommen ist, aber die An- forderungen für eine Arbeitsmigration erfüllt, muss bleiben dürfen. So einfach ist das.
Das sind die Realitäten 2017. Es wäre erfreulich, wenn sich die Große Koalition und insbesondere die Union, diesen Realitäten endlich stellen würden.
Lassen Sie mich zusammenfassen: 1. Abschiebungen sind als letzter Schritt nötig, wenn es keine Bleibemöglichkeit und keine freiwillige Rückkehr gibt. 2. Abschiebungen nach Afghanistan lehnen wir derzeit ab und sind froh, dass unsere Landesregierung dementsprechend handelt.

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