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24.02.17
15:16 Uhr
SPD

Dr. Kai Dolgner zu TOP 34 + 63: Fußfessel ohne Rechtsgrundlage? Wir sind doch kein Gutshof!

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 24. Februar 2017


TOP 34 + 63 Terrorismusbekämpfung und Umgang mit Gefährdern (Drs-Nr. 18/5158, 18/5024, 18/5034, 18/5038, 18/5187)



Kai Dolgner
Fußfessel ohne Rechtsgrundlage? Wir sind doch kein Gutshof!

Und da ist Sie wieder – die Fußfessel. Wir haben zwar schon einen Antrag von Ihnen dazu im Ausschuss, aber macht nichts, lasst uns doch nochmal eine steile Forderung erheben, die sich gut anhört. Ein großes Interesse an der Sache können Sie aber nicht haben, denn Ihr Antrag besteht nur aus der Feststellung, dass Fußfesseln für Gefährder die Sicherheit erhöhen würden und dass die Landesregierung gefälligst unverzüglich die Vorrausetzungen für den Einsatz schaffen soll.
Wir haben beim Thema Waldkindergarten ja schon einen Einblick in die Denkweise der CDU bekommen, wie ein MP, oder sollte ich besser „Gutsherr“ sagen, ihrer Meinung nach mit schwierigen Rechtsfragen umgehen soll. Wie habe ich mir das bildlich vorzustellen? Der Landtag beschließt ihre simple Aufforderung, Ministerpräsident Albig kauft die Fußfesseln, unterschreibt ein Dekret zur Einschränkung von Grundrechten, lässt alle als Gefährder an einem Tisch antreten, ohne Stühle versteht sich, und legt medienwirksam persönlich die Fußfesseln an, zack zack, erledigt!
Alle anderen Fraktionen im Hause wissen, dass eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, wie die Fußfessel natürlich einer gesetzlichen Grundlage bedarf und das ist unsere Aufgabe. 2



Und wenn Sie Ihren Antrag selbst ernst genommen hätten, dann hätten Sie jetzt eine Änderung des Landesverwaltungsgesetzes oder eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes vorgeschlagen und wir hätten über Ihre konkreten Vorstellungen reden können. So kann ich nur raten, was sie wollen. Wollen Sie ausreisepflichtigen Gefährdern eine Fußfessel anlegen als milderes Mittel zur Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz? Oder meinen Sie alle Gefährder, also auch deutsche gewaltbereite Salafisten oder gewaltbereite Rechtsextreme? Das wäre dann die Fußfessel als milderes Mittel zum schon vorhandenen Unterbindungsgewahrsam im § 204 Landesverwaltungsgesetz. Aber vielleicht wollen Sie auch kein milderes Mittel zur Haft sondern die Fußfessel als eigenständige Maßnahme zur Freiheitsbeschränkung? Dann wird es schwierig, denn die bisherigen Gefährdereinstufungen werden keinen Haftrichter überzeugen. Nur so zur Info. Es gibt 8 Gefährderstufen. Nur in den Stufen 1 bis 3 wird überhaupt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine mögliche Anschlagsbeteiligung angenommen. Übrigens Herr Amri war nur als Stufe 5 eingestuft: „Der Eintritt eines gefährdenden Ereignisses ist eher unwahrscheinlich.“ Egal wie die Debatte ausgeht, aber bei wem prognostiziert wird, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass er einen Anschlag begeht, der kann in einem Rechtsstaat wie Deutschland nicht in Haft zur genommen werden.
Auch die Eignung der Schwelle im Entwurf zum neuen BKA-Gesetz im § 56 ist mindestens diskussionswürdig. „Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat nach § 5 Absatz 1 Satz 2 begehen wird, oder deren individuelles Verhalten eine konkrete Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass sie eine Straftat nach § 5 Absatz 1 Satz 2 begehen wird.“ Das ist aber eigentlich die Schwelle, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes den Einsatz eines Trojaners rechtfertigt. Ob sich damit auch stark freiheitsbeschränkende Maßnahmen rechtfertigen lassen, oder ob die Schwelle nicht doch stärker Richtung Haftgründe verschoben werden muss, wird die gerade erst begonnene Gesetzgebungsdiskussion auf Bundesebene zeigen. . Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt übrigens auch bei Anti-Terror-Gesetzen. (Alternativ: Auch in Wahlkampfzeiten!) Wir wollen diese abwarten, da es gerade bei dieser schwierigen Materie mindestens eine bundeseinheitliche Gefährderdefinition geben muss. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie aber fordern die Landesregierung auf, die Fußfessel jetzt unverzüglich einführen, machen sich aber nicht mal die Mühe einen entsprechenden Gesetzentwurf einzureichen. Dann hätten Sie zumindest die theoretische Chance gehabt, das notwendige Gesetzgebungsverfahren anzustoßen. So kann ich Ihnen nur sagen, Ministerpräsident Albig wird weder vor noch nach der Wahl mit Dekreten regieren oder irgendjemanden einfach antreten lassen, egal wie die tatsächliche Rechtslage ist.