Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
21.07.17
10:35 Uhr
SSW

Flemming Meyer: Aufkündigung des Kompromisses kommt nur den großen Anbietern entgegen

Presseinformation
Kiel, den 21.7. 2017 Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer


TOP 18 Konsens bei Sonn- und Feiertagsöffnungszeiten Drs. 19/69

„Letztlich kommt eine Aufkündigung des Kompromisses nur den großen Anbietern entgegen.“

Die Bäderverordnung war 2013 ein Kraftakt, weil die Interessen gegensätzlicher nicht sein
können: die einen forderten die ganzjährige Liberalisierung der Öffnungszeiten am Wochenende
und die anderen wollten gar keine Geschäfte offen sehen, sondern beharrten auf der
Sonntagsruhe; die ja schließlich im Grundgesetz verankert ist. Dort heißt es in Artikel 139: „Der
Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der
seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“
In Deutschland landen solche gegensätzliche Positionen regelmäßig vor Gericht. Der Nachteil
liegt auf der Hand: Prozesse vor Gericht können sich über Jahre hinziehen. Außerdem ist ein
Gerichtsurteil ja nicht zwangsläufig ein gerechtes Urteil.
Gewerkschaften, Kirchen und Wirtschaft haben stattdessen einen anderen Weg gefunden.
Damit die Bäderverordnung zustanden kommen konnte, mussten alle Seiten ihre Positionen 2
räumen und nachgeben. Keine Seite hat das Gesicht verloren. Ich erinnere noch gut, wie
schwierig die Verhandlungen waren; aber auch, wie erleichtert alle Seiten über den Kompromiss
waren.
Nach fünf Jahren stellt sich die Frage, inwieweit sich der Kompromiss bewährt hat. Wurden
Familien über Gebühr belastet, weil Mutter oder Vater den Sonntag an der Kasse stehen
mussten? Haben alle Geschäfte profitiert oder nur die großen Ketten? Rechtfertigen die Umsätze
den Aufwand? Wo liegen die regionalen Unterschiede? Hat sich die Bäderverordnung in Tönning
bewährt, aber in Travemünde nicht? Oder doch? Ich höre viele Rückmeldungen; systematische
Zahlen kenne ich allerdings nicht. Diese Grundlage sollte meines Erachtens im Rahmen der
weiteren Befassung im Ausschuss mit einer Anhörung nachgeholt werden. Bevor wir
entscheiden, sollten wir zunächst die Zahlen kennen.
Ohne Zahlen ist der Änderungsantrag der Regierungsfraktionen nicht zielführend, denn er kennt
nur eine Richtung der Verhandlungen: und zwar den zur weiteren Liberalisierung. Das bedeutet
im Klartext, dass die Regierungskoalition sich nur fragt: Wie bekommt man es hin, dass noch
mehr Geschäfte, länger und an mehr Sonntagen geöffnet haben? Dagegen gehört für mich zur
Ehrlichkeit in dem Prozess, auch dass man die andere Frage zulässt, und zwar danach, ob etwa
die Sonntagsöffnung in einigen Regionen eingeschränkt werden sollte.
Die Horrorszenarien, die einige Touristiker 2013 malten, sind nach meinem Empfinden nicht
eingetroffen. Im Gegenteil: Schleswig-Holstein ist eine äußerst beliebte Ferienregion, dessen
gute Infrastruktur sehr geschätzt wird. Und zwar von ganz unterschiedlichen Gruppen: von
Familie und Kulturreisenden ebenso wie von den Tagesgästen.
Ich warne an dieser Stelle ausdrücklich davor, den Standort Schleswig-Holstein schlecht zu reden.
Eine erneute Debatte über die Bäderverordnung wird meines Erachtens vor allem die Menschen
verunsichern, die einen Urlaub nach Schleswig-Holstein planen. Im Handumdrehen hat man sein
Image ruiniert, wenn die Besucherinnen und Besuchern glauben, dass man gar nicht mehr am
Sonntag einkaufen könne. In Timmendorfer Strand, wo der Protest gegen die Bäderverordnung 3
sehr laut geäußert wurde, sieht man keine Protestschilder mehr. Die Händler wollen ihre
Kundschaft offenbar nicht irritieren.
Ich halte überhaupt nichts davon, die Regelung ohne Not in einen neuen Schwebezustand zu
bringen. Die Gewerkschaften haben angekündigt, dass sie schon in den Startlöchern für
eventuelle Klagen stehen, sollte der Kompromiss gekündigt werden. So ein Verfahren kann sich
hinziehen. Und ich denke, damit ist niemandem gedient.
Die Planungssicherheit, die die Verlängerungsoption vor fünf Jahren gebracht hat, kam vielen
Anbietern entgegen. Die Regeln sind klar, transparent und dauerhaft. Wenn man Jahr um Jahr
neu planen muss, bindet das enorme Ressourcen. Und genau mit denen hapert es bei den kleinen
Geschäften. Diese haben inzwischen ihre Personalpläne so aufgestellt, dass sie den derzeitigen
Regeln entsprechen. Das hat sich eingespielt. Die Großen können schnell umplanen; die kleinen
Geschäfte nicht. Letztlich kommt eine Aufkündigung des Kompromisses nur den großen
Anbietern entgegen. Und das wäre doch wohl ein echter Bärendienst.



Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html