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14.12.17
13:17 Uhr
B 90/Grüne

Andreas Tietze zur Schieneninfrastruktur in Schleswig-Holstein

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 25+27+28+32 Transparenz im Schienenpersonennah- Pressesprecherin verkehr stärken; Schieneninfrastruktur in SH wetterfest ma- Claudia Jacob chen; Zügiger zweigleisiger Ausbau der Marschbahn; Finan- Landeshaus zielle Beteiligung des Bundes bei der S 4 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der verkehrspolitische Sprecher der Landtagsfrak- Zentrale: 0431 / 988 – 1500 tion von Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Andreas Tietze: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 380.17 / 14.12.2017


Wir starten eine Initiative für bessere Qualität und bessere Infrastruktur im Schienenbereich
Meine Damen und Herren,
die Mobilität ist im Wandel. Immer mehr Menschen, gerade auch junge Erwachsene, nutzen den Umweltverbund aus Zug, Bus und Fahrrad, um ihre Ziele zu erreichen. Sei es auf dem Weg zur Arbeit, zur Familie oder in der Freizeit.
Die Schiene ist das Rückgrat des Umweltverbundes. Sie wickelt einen Großteil der Ver- kehrsleistung ab. Im wahrsten Sinne des Wortes „abwickeln“, denn die Bahn macht es einem oft nicht leicht, sie als Alternative zum eigenen Auto zu akzeptieren.
Verspätungen, Zugausfälle, verschmutzte und veraltete Züge und Bahnhöfe: Jeder kennt die Berichte und der ein oder andere auch eigene Erlebnisse. Die Meldungen wiederholen sich immer wieder, ohne dass für die Betroffenen Aussicht auf Besserung zu bestehen scheint. Und für die Marschbahn bei mir vor der Haustür gilt: Genug ist Genug. Die Nerven der Pendler*innen und der Gäste liegen blank.
Dass Strecken in Schuss gehalten werden müssen, sollte eigentlich eine Selbstver- ständlichkeit sein. Dennoch bekräftigen wir hier mit unserem Antrag die Notwendigkeit dafür – das ist schon traurig genug.
Nur den bestehenden Betrieb sauber und pünktlich abzuwickeln, reicht bei weitem nicht aus. Wir müssen die schädlichen Auswirkungen des Verkehrs massiv reduzieren und das Problem an der Wurzel behandeln. Während andere Sektoren zum Beispiel bei der Emissionsreduzierung von Treibhausgasen große Fortschritte machen, bleiben diese im Verkehrssektor aus. Dabei drängt die Zeit. In 13 Jahren müssen sie um 40 Prozent ge- genüber 1990 gesunken sein und in rund 30 Jahren gar um 95 Prozent. Seite 1 von 4 Wer glaubt, dass es reicht, bei den heutigen Autos einfach die Verbrennungsmotoren durch Akkumulatoren zu ersetzen, der irrt. Ein wesentlicher Teil des Verkehrs wird zu- künftig dem Umweltverbund zukommen – ja zukommen müssen.
Dabei müssen wir in Schleswig-Holstein endlich mal groß denken und von dem Klein- Klein wegkommen. Wir Grüne reden von einer Verdoppelung der Verkehrsleistung auf der Schiene bis 2030. Wer das politisch will, der muss die Schiene fit für die Zukunft machen sowie für bessere und neue Angebote sorgen. Zwei wesentliche Engpässe stehen dabei auf unserer heutigen Sitzung im Vordergrund.
Erstens: Die heute noch fehlende S4 in Hamburg, die Hamburg mit Bad Oldesloe ver- binden soll, war schon oft Thema in diesem Hause. Der Bau zweier neuer Gleise lässt den Nahverkehr unabhängig vom Fern-, Güter- und Regionalverkehr fahren. Das ist heute nicht so, so dass zum Beispiel die Regionalbahnen nach Ahrensburg nur halb- stündlich fahren, was deutlich schlechter ist als der Zehnminutentakt, den Pinneberg genießt. Deswegen unterstützen wir gemeinsam mit Hamburg die Planungen, was wir heute hier erneut dokumentieren.
Zweitens: Die Situation auf der Marschbahn ist bekanntlich unerträglich geworden – ich hatte das ja schon zu Beginn gesagt. Erst hatten wir kein Glück mit den kaputten Wag- gons und dann kam auch noch das Pech mangelhafter Loks hinzu. Und das alles auf der Infrastruktur aus längst vergangenen Zeiten.
Zwar ist die Marschbahn südlich Niebüll, wo praktisch nur ein bis zwei Züge pro Stunde und Richtung fahren, zu 95 Prozent zweigleisig, doch gerade dem mit vier Zügen pro Stunde und Richtung besonders stark genutzten Abschnitt Niebüll – Westerland fehlt dieses zweite Gleis auf zwanzig Kilometern und damit über der Hälfte der Strecke. Doch das ist nicht alles. Das Problem liegt ja nicht nur in der Eingleisigkeit. Vielmehr gibt es vor Ort ein ganzes Bündel von Problemen, die jetzt alle untersucht und ange- gangen werden müssen.
Allem voran die Rangierbahnhöfe an den Endpunkten in den Bahnhöfen Westerland und Niebüll, denn was nützt einem die breite Trasse, wenn man vor Ort keinen Park- platz findet? Und ist es so schlau, die Autozüge an der engsten Stelle der Insel zu be- und entladen?
Die eingleisige Strecke zwischen Tinnum und Westerland ist hochproblematisch, viele Grundstückseigner*innen, sehr teure Grundstücke – ich sehe da massive Probleme bei der Planung und ein hohes Klagerisiko.
Eine Untersuchung über die Verlagerung der Autozugverkehre in Richtung Flughafen, wie von der Insel- und Halligkonferenz gefordert, unterstützen wir Grüne aus vollster Überzeugung.
Aber auch die Diesellokomotiven müssen endlich durch stärkere E-Loks ersetzt werden, damit nicht gleich jeder Windhauch für Verspätungen sorgt. Und Wind haben wir an der Küste reichlich. Schließlich erzeugen wir damit reichlich Strom, den wir auch gut für die Loks nutzen sollten.
All diese Themen werden jetzt untersucht werden, um zu sehen, wie der Knoten Niebüll und damit unsere Tourist*innenregion Nordfriesland gut und zuverlässig angebunden werden können.

2 Bahnhöfe, Gleise, Loks, Triebwagen, Linienwege, Signale. Alles müssen wir von Grund auf neu denken. Dabei darf es keine Tabus und Denkverbote geben. Das Ganze geht auch nur mit den Akteur*innen vor Ort und nicht gegen sie. Doch diese beiden Projekte sind nur der Anfang, denn wir wollen das ganze Netz in Schleswig-Holstein fit machen für die Zukunft. Große Umwälzungen kommen auf uns zu.
Die Energiewende muss auch auf den Verkehrsbereich übertragen werden. Generell ist die Schiene hier im Vergleich zur Straße bereits heute deutlich im Vorteil. Der Energie- verbrauch im Schienenverkehr ist zum einen deutlich geringer als im Straßenverkehr, zum anderen ist der Schienenverkehr Elektromobilität par excellence, 85 Prozent ihrer Verkehrsleistungen erbringt die Bahn in Deutschland elektrisch.
Leider nicht in Schleswig-Holstein, das mit nur 30 Prozent elektrifizierter Strecken erst kürzlich von der Allianz „Pro Schiene“ die rote Laterne verpasst bekommen hat. Für Strecken ohne Oberleitung wollen wir elektrische Triebwagen ohne Verbrennungstech- nik – wir wollen aber auch Oberleitungen. Wir wollen den emissionsfreien Schienenver- kehr und müssen da klotzen, nicht kleckern.
Doch E-Züge sind nicht nur sauberer, sie sind vor allem schneller, leiser, besser und bil- liger. In den windreichsten Gebieten im Energiewendland Dieselzüge rumdonnern zu lassen, macht keinen Sinn. Armdicke Auspuffrohre jagen zum Beispiel auf der Marsch- bahn jährlich 74.000 Tonnen Treibhausgas raus, während neben dem Gleis Windräder stillstehen.
Volkswirtschaftlicher Wahnsinn: Ruß plus Lärm plus Gestank und 28 Millionen Liter Diesel jedes Jahr. Schluss damit. „I have a dream“: Jamaika macht Schleswig-Holstein zum ersten Bundesland, in dem alle Züge elektrisch fahren. Noch vor 2030. Damit wä- ren wir nicht nur auf dem richtigen Gleis, sondern auch Vorbild für andere. MOIN-SH bringt richtig viel Investition und Innovation auf die Schiene.
Doch die Elektrifizierung ist nur das eine. Wenn wir den Schienenverkehr richtig attrak- tiv machen, dann werden auch die Kund*innen kommen. Und zwar in einem Ausmaß, dass alles bisher Erreichte bei weitem in den Schatten stellt. Das erfordert nicht nur neue Infrastrukturen, sondern auch neue Linienkonzepte. Das heißt S-Bahnen für die Städte und Expresslinien durchs ganze Land. Wir brauchen Starke Linien, die die Men- schen schnell von A nach B bringen. Schneller und viel öfter als heute.
Meine Damen und Herren,
jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Will sagen, jede Bahnfahrt kann daran scheitern, dass der Bahnhof zu weit weg ist. Denn wer wohnt schon in fußläufiger Ent- fernung zum Bahnhof? Für diese Lücke zwischen Haustür und Haltestelle brauchen wir ebenfalls eine Strategie.
Mancherorts können die Reaktivierung von Strecken und Bahnhöfen oder ganz neue Standorte den Menschen die Bahn näher bringen. Andernorts, wo keine Schienen mög- lich sind, können das Busse sein, welcher Art auch immer. Also Linienbusse, Taxibus- se, Bürgerbusse oder ähnliches. Warum nicht auch mal über ein 1.000 km Busgrund- netz diskutieren?
Das können aber auch nicht- oder leichtmotorisierte Systeme sein. Also Leihfahrräder oder auch elektrisch unterstützte Fahrräder oder auch völlig neue Formen von Fahr- zeugen: E-Skates, MonoWheels und wie sie alle heißen. 3 Fazit: Heute starten wir eine Initiative für bessere Qualität und bessere Infrastruktur im Schienenbereich. Das ist aber nur der Auftakt für eine Netzstrategie mit Blick auf das Jahr 2025 und weiter. Jamaika heißt, in Schiene und Straße zu investieren.

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