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23.02.18
12:41 Uhr
SPD

Tobias von Pein zu TOP 30: AfD-Antrag ist ein Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 23. Februar 2018



TOP 30: Maßnahmen zur Altersfeststellung bei minderjährigen Ausländern (19/519, 19/552)


Tobias von Pein:
AfD-Antrag ist ein Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit

Die Überschrift des Antrags der AfD ist etwa so sinnvoll wie die Frage: „Wie viele Jahre dauerte der Dreißigjährige Krieg?“ Denn wenn die Flüchtlinge minderjährig sind, dürfte sich die Altersfeststellung erübrigen. Mit einem Mindestmaß an Logik müsste eine Altersfeststellung bei „angeblich minderjährigen Ausländern“ oder „mutmaßlich minderjährigen Ausländern“ gefordert werden. Das ist aber nicht Ihre Schuld, weil Sie wieder einmal im Sinne des Müllrecyclings, das wir ja alle aus umweltpolitischen Gründen wärmstens unterstützen, Vorlagen anderer AfD-Fraktionen genutzt haben.
Ihre Bundestagsfraktion hatte bereits im Januar die Bundesregierung aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, der falsche Altersangaben der Flüchtlinge unter Strafe stellt. Dass Ihr Antrag im Bundestag auf keine Mehrheit hoffen darf, ist selbstverständlich. Weil damit klar ist, dass kein Bundesgesetz zu erwarten ist, formulieren Sie hier einen ewig langen Maßnahmenkatalog, den die Landesregierung den Jugendämtern aufgeben soll. Selbst wenn man auch nur die geringsten inhaltlichen Sympathien für das Anliegen dieses Antrags hätte, frage ich mich, wie die Jugendämter in der Lage sein sollten, alle diese geforderten Maßnahmen in Zusammenarbeit mit medizinischen Institutionen durchzuführen, ohne die Einrichtungen, die ein solches Maßnahmenkonzept umsetzen sollten, mit entsprechendem zusätzlichen Personal und finanziellen Ressourcen auszustatten.
Darauf hat unter anderem der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Montgomery, hingewiesen, der mit Recht in einem Röntgen ohne medizinische Indikationen einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit 2



eines Menschen sieht, der nur im Rahmen eines Strafprozesses zulässigerweise angeordnet werden könne. Der Antrag der AfD-Fraktion ist auch deswegen rechtsstaatswidrig, weil er grundsätzlich von der Option ausgeht, die für den Asylsuchenden die ungünstigste ist. Wenn in anderen Bundesländern ohne das von Ihnen geforderte medizinische Inquisitionsverfahren eine Minderjährigkeit festgestellt wurde, soll dies von den schleswig-holsteinischen Behörden ignoriert werden.
Wenn der Test ein niedrigeres Alter ergibt, als der Asylsuchende selbst angegeben hat, soll in diesem Fall der Angabe des Asylbewerbers gefolgt werden, nicht der für ihn günstigeren medizinischen Untersuchung. Sie selbst räumen ein, dass die medizinischen Methoden das Alter nur „nahezu zweifelsfrei“ feststellen können. Das ist im Rechtsstaat nicht wirklich zielführend. Zum Beispiel weist das Handröntgenverfahren bei 16- bis 20-Jährigen eine Standardabweichung von 28 Monaten auf. Wie soll man damit eine Volljährigkeit nachweisen? Was soll man denn mit einem Gutachten konkret anfangen, das besagt, der Asylbewerber sei irgendwas zwischen 16 Jahren und 10 Monaten und 19 Jahren und 2 Monaten Jahren alt? Sie werden natürlich antworten, „dann gehen wir davon aus, dass er mindestens 18 ist“, wir nicht.
Dass dieser Antrag gegen internationales Recht verstößt, das verlangt, Flüchtlingen denselben Grundrechtsschutz wie Inländern zu gewähren, sei nur am Rande erwähnt; solche Kleinigkeiten kümmern die AfD ja nicht. Die AfD nutzt einmal mehr skrupellos Verbrechen mit großer Medienwirksamkeit aus, die von angeblich minderjährigen Asylbewerbern in Freiburg und in Kandel begangen wurden. Anträge anderer AfD-Fraktionen benennen diese Vorfälle ausdrücklich als Motiv für ihre Anträge.


Sie werden nicht im Ernst erwarten, dass wir diesem Antrag zustimmen. Deshalb beantrage ich Abstimmung in der Sache. Wir stimmen dem Koalitionsantrag zu, der dazu alles Erforderliche sagt, und lehnen den Antrag der AfD selbstverständlich ab.