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21.03.18
15:15 Uhr
B 90/Grüne

Aminata Touré zur Einbürgerung

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 20 – Einbürgerung voranbringen Pressesprecherin Dazu sagt die migrationspolitische Sprecherin Claudia Jacob der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Aminata Touré: 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
Einbürgerung: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Wir sind ein Teil von Deutschland Nr. 100.18 / 21.03.2018

Liebe Kolleg*innen,
ich zitiere zu Beginn mal aus einer Mail, die ich letzte Woche erhalten habe: „Sie, Frau Touré, sind für mich nach Recht und Gesetz, mit allen Rechten und Pflichten aber nicht hinsichtlich Ihrer Herkunft eine Normalbürgerin dieses Landes.“
Warum erwähne ich das? Wir sprechen bei der aktuellen Debatte über eine Einbürge- rungskampagne, die wir als Jamaika-Koalition als Antrag einbringen und die Landesre- gierung darum bitten, diese auf den Weg zu bringen. Sie soll diejenigen, die die Bedin- gungen für eine Einbürgerung erfüllen, motivieren, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen.
Dafür muss man acht Jahre in Deutschland leben, für seinen eigenen Unterhalt auf- kommen, den Einbürgerungstest bestehen und weitere Kriterien erfüllen. Diese Kam- pagne soll außerdem einen Anreiz für diejenigen bieten, die diese Bedingungen fast er- füllen. Aber: Die deutsche Staatsbürgerschaft schützt den einzelnen, die einzelne nicht vor Ausgrenzung oder vor Diskriminierung. Es ist mir wichtig, das hier und heute am Inter- nationalen Tag gegen Rassismus zu betonen.
Als ich früher Nachrichten geguckt habe, dachte ich oft, es muss so verdammt anstren- gend sein, ein Mensch mit Migrationshintergrund zu sein. Ständig wird über diese Men- schen geredet. Meist als Problem, als unerwünscht, als schwierig, als kulturell anders.
Ich meine das ernst, wenn ich sage, dass ich in diesen Momenten nicht gemerkt habe, dass quasi auch über mich gesprochen wurde. Ich habe mich schlichtweg nicht ange- sprochen gefühlt. Viele reden über einen und sprechen einem das Deutsch-sein ab.
Und ich merke das auch beim Austausch mit jungen Migrant*innen. Mich macht es im- mer wieder traurig und es besorgt mich. Ein Zitat: „Ich würde schon sagen, dass ich

Seite 1 von 2 deutsch bin, aber viele sagen halt, dass ich ein Kanake bin und deshalb traue ich mich nicht zu sagen, dass ich deutsch bin.“
Viele von ihnen sind hier aufgewachsen, groß geworden, aber glauben, dass sie, ob- wohl sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben, nicht in Anspruch nehmen dürfen, deutsch zu sein.
Warum das so ist, wundert mich in Anbetracht der aktuellen Debattenlage überhaupt nicht. Wieso diskutieren wir eigentlich immer noch, ob der Islam zu Deutschland ge- hört? Wieso müssen wir wieder Debatten führen, bei denen immer und immer wieder suggeriert wird, Teile dieser Gesellschaft müssen sich noch erkämpfen, sich als deutsch bezeichnen zu dürfen. Warum betont man immer das friedliebende bei Mus- lim*innen? Ich habe in der Tagesschau noch nie von friedliebenden Christen gehört.
Vor diesem Hintergrund ist es in solchen Zeiten nicht irrelevant, ob man sich für die Einbürgerung ausspricht, sich zu Menschen mit Migrationshintergrund bekennt und nicht aus Angst vor rechten Parteien, rechten Ideologien und Rechten einknickt.
Wir hier in Schleswig-Holstein senden mit diesem Antrag ein Bekenntnis zu den unge- fähr 14 Prozent hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund und bundesweit 20 Prozent. In Deutschland hat jedes Dritte Kind unter fünf Jahren inzwischen einen Migra- tionshintergrund.
Nicht jede*r von ihnen hat die deutsche Staatsbürgerschaft und auch nicht jede*r will sie erlangen. Das Potential kann aber noch viel weiter ausgeschöpft werden. Bundesweit schneiden wir nicht schlecht ab im Ranking, allerdings nimmt ein großer Anteil die Mög- lichkeit der Einbürgerung dennoch nicht wahr.
Ein Grund ist unter anderem, dass mit der Einbürgerung für einige das Ablegen der Staatsbürgerschaft aus dem Herkunftsland der Eltern einhergeht. Eine extrem schwieri- ge Entscheidung, bei der wir Grüne sagen, der Optionszwang zwischen dem Land, in dem man lebt und dem Land, aus dem die Eltern kommen, darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. Junge Menschen dürfen nicht gezwungen werden, die eine Identi- tät für die andere aufzugeben. Weil man schlichtweg beides ist.
Wir bekennen uns mit dem Antrag dazu, dass mehr Menschen an unseren demokrati- schen Prozessen teilnehmen sollen, von denen sie als Bürger*innen unmittelbar betrof- fen sind, beispielsweise wählen gehen zu dürfen.
Die undemokratischen Verhältnisse im Herkunftsland bewegen viele dazu, in ein demo- kratisches Land wie Deutschland zu fliehen und zu migrieren. Und deshalb kann es uns nur mit Stolz erfüllen, wenn wir gerade diesen Menschen aufzeigen: In dieser Gesell- schaft dürft ihr euch an Demokratie beteiligen.
Eine Freundin sagte nach ihrer ersten Wahl in Deutschland zu mir, dass sie glaubt, dass viele gar nicht verstehen, welches Privileg es ist, wählen gehen zu dürfen.
Ich will zum Schluss deutlich sagen: Menschen mit Migrationshintergrund sind ein Teil von Deutschland. Wir sind ein Teil von Deutschland. In solchen Zeiten bedarf es einer ganz klaren politischen Grundhaltung. Die haben wir.
Ich bitte Sie um die Zustimmung zu diesem Antrag. ***
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