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22.03.18
17:41 Uhr
SPD

Beate Raudies zu TOP 6 + 38: Jamaikas Hinhaltetaktik sogt weiterhin für Verunsicherung bei Kommunen

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 22. März 2018



TOP 6 + 38: Änderung des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich und Bericht zur Überarbeitung des kommunalen Finanzausgleichs (Drs-Nr.: 19/352, 19/578, 19/565)



Beate Raudies:
Jamaikas Hinhaltetaktik sorgt weiterhin für Verunsicherung bei Kommunen


Ich bedanke mich für den Bericht. Jetzt sind wir ein bisschen schlauer. Die Landesregierung hat uns noch einmal die Reformziele aufgelistet, die wir bereits aus dem Koalitionsvertrag kennen:
• Ermittlung des konkreten Finanzbedarfs der Kommunen durch neutrale Sachverständige
• Prüfung, ob Verantwortlichkeiten gebündelt und Doppelzuständigkeiten abgebaut werden können
• Neue Finanzierungswege für die Bereiche Kita, Digitalisierung, Inklusion und Ganztagbetreuung
• Kommunen finanziell so ausstatten, dass sie ihrer Verpflichtung zum kommunalen Schulbau und zum Ausbau kommunaler Straßen nachkommen können.
Das neue FAG soll zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Davor hat der Landtag ungefähr ein Jahr Zeit, sich mit dem Thema zu befassen. Ich würde es allerdings begrüßen, wenn der 2



Innenminister das Parlament bereits vorher regelmäßig informieren würde. Nur zu einem Punkt findet sich im Bericht keine Aussage, nämlich zum lieben Geld. Zwar haben Sie für die Kita- Finanzierung bis zum Jahr 2022 mehrere 100 Millionen Euro zugesagt, aber ansonsten ist in der Finanzplanung hierzu Fehlanzeige. Das wundert mich doch schon! In der vergangenen Legislaturperiode ließ die Opposition keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, es gäbe viel zu wenig Geld für die Kommunen. Sie, meine Damen und Herren der Jamaika-Koalition, wollen noch mehr Leistungen über das FAG abwickeln, und verlieren kein Wort darüber, wie Sie das bezahlen wollen! Ich bin sehr gespannt darauf, wie Sie dieses Dilemma lösen werden. Werden Sie mehr Geld ins System geben oder am Ende Verlierer produzieren? Die Lösung dieses Rätsels präsentieren Sie uns aber erst in zwei Jahren. Ich ahne ja, dass Sie mir gleich entgegnen werden, unser Gesetz aus 2014 sei Murks und verfassungswidrig, und Jamaika müsse es jetzt richten. Aber ich will an dieser Stelle daran erinnern, dass das Landesverfassungsgericht nur einzelne Vorschriften für verfassungswidrig erklärt hat.
Wesentliche Kritikpunkte der damaligen Opposition bzw. der Landkreise wurden vom Gericht zurückgewiesen, etwa der Vorwurf der Doppelfinanzierung wegen gleichzeitiger Zuweisungen über Vorwegabzüge und Zentralitätsmittel, z.B. bei den Theatern. Oder dass die Schülerbeförderung als zentrale Aufgabe der Kreise diesen fälschlicherweise nicht als solche angerechnet werde. Der zentrale Punkt der Reform – die strukturelle Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung gezielt für SGB-Leistungen – hat die verfassungsrichterliche Überprüfung überstanden. Sehr gerne zitiere ich hier noch einmal das Urteil des Landesverfassungsgerichts: „Durchgreifende Bedenken bestehen weder gegen die Einführung eines solchen Parameters für Soziallasten an sich noch gegen dessen Gewichtung. Insbesondere werden hierdurch die Kreise nicht im Verhältnis zu den kreisfreien Städten benachteiligt.“
Die methodischen Einwände des Gerichtes gegen das FAG 2014 gelten aber in einem viel höheren Maße auch für das alte FAG, das in der Hinsicht sehr viel größere Schwächen aufwies, insbesondere die Regelung über die Höhe der Finanzausgleichsmasse. Es fehlte im alten FAG an jeglicher Aufgabenorientierung, es hatte völlig unbegründete Zu- und Abschläge und die unterschiedlichen Soziallasten spielten keine Rolle, obwohl die Unterschiede bei den Soziallasten erheblich höher sind als bei der Finanzkraft der Kreise und kreisfreien Städte.
Sie haben sich ja viel vorgenommen: In der Landtagssitzung im Januar sprach der Herr Ministerpräsident von der „größten und umfassendsten KFA-Reform, die es in Schleswig- Holstein je gegeben hat.“ Bis dahin aber müssen die Kommunen abwarten und Tee trinken: Der Sozialminister appelliert an die Gemeindevertretungen, die Kita-Eltern nicht zu belasten – Geld 3



gibt es aber erst 2020. Die Erhebungspflicht für Straßenausbaubeiträge wird abgeschafft – Geld gibt es aber erst 2021. Die Konnexität für die Rückkehr zu G9 wird anerkannt – Geld gibt es aber erst 2023.
Fast 100 Millionen Euro Bundesmittel für die Sanierung von Schulen in finanzschwachen Gemeinden liegen auf Eis, weil die Regierung am liebsten alle Schulträger als finanzschwach deklarieren würde, um möglichst viele ihrer Wahlversprechen mit fremden Geld zu bezahlen.
Packen Sie also endlich mal an! Erlauben Sie mir noch ein paar Worte zu unserem Gesetzentwurf. Sie haben die Erhebungspflicht für die Straßenausbaubeiträge abgeschafft, ohne für eine angemessene Kompensation zu sorgen. Die Folge: BürgerInnen in finanzschwachen Kommunen müssen weiterhin zahlen, weil man sich die Abschaffung dort schlicht nicht leisten kann. Erst auf unseren Druck hin haben Sie den Kommunen im Januar dieses Jahres eine Aufstockung der 34 Millionen Infrastrukturmittel des Bundes um 15 Millionen für drei Jahre angeboten. Nach dem Motto „Vogel friss oder stirb“ haben die Kommunen das akzeptiert. So kommen Sie auf 49 Millionen Euro, und scheinbar stimmt damit die Kompensation. Aber auch das ist wieder ein Taschenspielertrick! 30 Prozent dieses Geldes bekommen erstmal die kreisfreien Städte - gut, das sind wohl ein paar Anliegerstraßen zu bauen. Von den restlichen Mitteln gehen dann wieder 30 Prozent an die Kreise – da sind aber gar keine Ausbaubeiträge zu kompensieren, weil die Kreise keine erheben. Der Rest wird dann auf alle Städte und Gemeinden im Land verteilt, unabhängig davon, ob sie eine Beitragssatzung aufheben oder nicht. Und zwei Drittel der Mittel, die Sie jetzt per Gießkanne verteilen, sind Bundesgeld! Sie wären den Gemeinden sowieso zugeflossen und sind eigentlich vorgesehen, um zusätzliche Investitionen zu ermöglichen. Den Ärger vor Ort haben jetzt die ehrenamtlichen KommunalpolitikerInnen. Diese dürfen sich neben der nebulösen Finanzierung auch noch mit den absehbaren Protesten der Zukurzgekommenen herumschlagen. Ein großartiger Beitrag zur Förderung des kommunalen Ehrenamtes!